Für jemanden, der selbst in der Jugend nur hier und da mal mit Unreinheiten zu kämpfen hatte und im Grunde von schlimmen Ausbrüchen verschont geblieben ist, können schlechte Hautphasen zum absoluten Super-Gau werden und das eigene Selbstbild komplett auf den Kopf stellen. Auf einmal fühlt man sich nicht mehr stark und selbstbewusst und geht nicht mehr erhobenen Hauptes aus dem Haus, sondern hofft, in der Masse unterzugehen. Und manchmal, so ging es mir, möchte man sich einfach nur noch in den eigenen vier Wänden verkriechen.
Als ich letztes Jahr über Nacht schlechte Haut bekam, dachte ich anfangs, alles schnell wieder in den Griff bekommen zu können. Vielleicht ein falsches Produkt? Oder war es doch die Umstellung auf ein Pillen-Generika, die meine Haut ins Wanken geraten ließ? Bis heute weiß ich es nicht, aber gerade in der Anfangszeit, in der meine Stirn voller Unterlagerungen war, wollte ich nichts lieber, als mich so lange einzuschließen, bis ich mein altes „Ich“ wieder gewonnen habe.
Für mich passte über Nacht nichts mehr zusammen.
So wie ich mich gesehen habe, gab es mich auf einmal nicht mehr. Genauso plötzlich fing ich auch an darüber nachzudenken, was andere Leute von mir denken würden, gerade die, die ich kenne. „Oh, mein Gott, wie sieht die denn aus?“, „Was ist nur aus ihr geworden, pflegt sie sich nicht mehr richtig?“, „Sie war mal so ein hübsches Mädchen“. Meine Gedanken drehten sich nur noch darum, was andere von mir halten könnten. Wie sie mich sehen und ob sie mich für das verurteilten, was in meinem Gesicht passiert. Wie sollte mich zudem jemand attraktiv finden, wenn ich es auf einmal selbst nicht mehr tat?
Mein Selbstbewusstsein war im Keller und damit auch die Motivation an meinem Blog zu arbeiten und über Beauty zu schreiben. Wollte das überhaupt noch jemand lesen? Tipps von einem Mädchen mit unreiner Haut, die nicht mal weiß, wieso?
Am Ende konnte ich mich selbst nicht mehr ertragen und zweifelte an meiner Kompetenz. Schon gar nicht wollte ich Bilder von mir im Internet sehen, auf denen Hautunreinheiten zu sehen sind.
Es dauerte ein gutes Dreivierteljahr bis sich meine Haut erholt und ich wieder mein altes Ich zurück hatte und damit auch mein Selbstbewusstsein. Nur um wenige Wochen später erneut von Unterlagerungen übermannt zu werden und wieder am Boden der Tatsachen anzukommen.
Seit über einem Jahr kämpfe ich mittlerweile mit mir selbst, mit meinem Bild über mich und was ich wert bin. Dass ich mehr bin als eine Hülle, die gut auszusehen hat; mehr bin als Unreinheiten, die meine Haut heimsuchen.
Auch wenn nie jemand zu mir sagte, wie schlimm meine Haut doch sei, haben mir all die Monate unheimlich zu denken gegeben. Wie konnte ich zulassen, Treffen abzusagen, nur weil ich mich so nicht aus dem Haus traute? Konzerte nicht zu besuchen, nur weil ich Angst davor hatte, jemanden mit meinen Flecken anzuekeln.
Woher kamen auf einmal all die Selbstzweifel? Die Scham über mich selbst?
Meine Jugend lang war ich geplagt von dummen Sprüchen meiner Mitschüler. Ich wurde geschnitten und hintergangen. Hinter meinem Rücken wurde getuschelt und es wurden Lügen verbreitet. In all der Zeit habe ich versucht, mich über Wasser zu halten und nicht zu ertrinken, mich an meinen guten Freunden festzuhalten. Stark zu sein und all das Gerede nicht zu nah an mich heranzulassen. Dass diese Zeit Wunden hinterlassen und mich zu jemandem gemacht hat, der innerlich fortwährend an sich zweifelt und dessen eigenes Ich nie gut genug ist, wurde mir erst durch meine schlechte Haut richtig bewusst.
Wenn mich früher jemand runtermachte, wollte ich es ihm beweisen und zeigen, dass mich nichts aus der Bahn werfen kann. Meine Schwäche habe ich stets versucht zu verbergen. Doch auf einmal stand ich nicht mehr über den Dingen, meine Haut hatte die Überhand und vor all denen, denen ich früher gezeigt habe, dass ich über dem stehe, was sie sagen, hatte ich plötzlich Angst.
Während der extremsten Phasen, gab es für mich gab es nichts Schlimmeres als Schulkollegen zufällig über den Weg zu laufen. Ihnen ausgeliefert zu sein … und dieses Mal eben nicht über ihrem Gerede stehen zu können. Weil ich selbst nicht hinter mir stand. Denn dass jemand Gerüchte über mich verbreitet, das war mir bekannt; nicht aber, dass vielleicht selbstgefällig und schadenfroh darüber geredet wird, wie ich heute aussehe, wo mir doch immer mein Aussehen so wichtig war und das auch einer der Punkte war, mit denen ich immer angeeckt bin. Für viele stellte Makeup eben nie so viel dar wie für mich.
Nicht dauernd unsicher zu sein, keine Angriffsfläche zu bieten, das versuche ich noch immer. Mittlerweile glaube ich aber, dass mich das, was ich in meiner Jugend erlebt habe, nie ganz loslassen wird. Auch wenn es mich nie zu Fall gebracht hat. Nur eben diese Unsicherheit aus alten Tagen fällt mir jetzt auf die Füße. Jetzt, wo ich mehr Selbstbewusstsein dringend gebrauchen könnte.
Dass ich mit meinen Gedanken über die Meinung anderer über unreine Haut gar nicht so falsch liege, hat mir heute erschreckenderweise das Video von Em gezeigt, die vor drei Monaten begonnen hat ungeschminkte Bilder von sich in Sozialen Netzwerken zu teilen – und auf die damit Tausende von verstörenden Kommentaren einprasselten.
Letztendlich ist doch die Frage:
Wie soll man sich selbst lieben, wenn andere einem einzureden zu versuchen, man sei Nichts wert?
Ich habe keine Ahnung, aber was ich weiß, ist, dass es ganz und gar nicht in Ordnung ist, online und offline so über Menschen zu reden, wie Em es erfahren musste. Sie für ihre Haut zu verurteilen und ihnen das Leben noch schwerer zu machen, als es für sie ohnehin schon ist. Und ich für meinen Teil muss wohl endlich lernen, mich selbst und nicht nur mein Äußeres zu sehen.